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release: jan 30, 2009 16:20PM

Kapitel 2

 

Hallo... wer kann sich erinnern? Noch zu meiner Friedberger Zeit habe ich einen Film unvergessen im Hinterkopf, den ich dort in dem damaligen "Skala"-Filmtheater sah. Der muss Anfang 1968 gelaufen sein und trug den Namen "Das ist 1968" oder "Das ist die Jugend 1968". War so eine Art Dokumentarfilm aus drei Teilen. Ausgerechnet die 68er....

Um was es in den beiden anderen Teilen ging - keine Ahnung, habe es vergessen. Aber der mittlere Teil war der für mich interessante: Radio Caroline wurde vorgestellt - als Rebell im Äther, the "one and only continuing voice of free radio", das South-Schiff (die Mi Amigo) in Großaufnahme, Boss Ronan O'Rahilly auf dem Tender stehend - vor dem Radioschiff. Hat mich mächtig bewegt. Wie Radiofans sicherlich wissen, wurden kurz darauf wegen ausstehender Befrachtungskosten beide Caroline-Sendeschiffe durch die Tenderfirma Wijsmüller aufgebracht (früher Morgen des 3. März) und Caroline verstummte bis Ende 1972... Ich habe vergeblich alles im Internet abgesucht, ob jemand diesen Film "konserviert" hat und durch welche Verleihfirma (vielleicht schon lange konkurs?) der Streifen angeboten wurde - alles vergeblich. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ich der EINZIGE Zuschauer war, der sich daran erinnern kann??

 

Nun, damals... 1973/1974 arbeitete ich tagsüber (u.a.) bei der O.N.S. - der Obersten Nationalen Sportkommission (für den Automobilsport in Deutschland) am Baseler Platz in Frankfurt. Und nachts war ich ein recht bekannter DJ in Sachsenhausen in der dortigen "Tenne". Jeden Abend zwei Jahre lang brechend voll, schon beim Aufmachen der Tür... Waren ganz andere Zeiten (die "Tenne" wurde später durch einen Gast übernommen, nach Bergen-Enkheim transferiert und in das Sachsenhäuser Gebäude zog einer der ersten fast-food-Ableger ein.) Damals meine (zweite) große Liebe - eine gewisse "Christine", wie sie sich erst vorstellte. Dann gab sie sich als Helga M. zu erkennen, Lehrling bei den Farbwerken Höchst und vom Vater dahin geschickt, um im elterlichen Farbenbetrieb in Bad Kreuznach später eine Funktion zu übernehmen. Kein Wunder, nach DJ- und heftigen, kurzen Liebesnächten blieb verdammt wenig Zeit für meinen Tagesjob. Oft kam ich zu spät und wurde irgendwann auch mal deswegen gefeuert... War eben ein wildes Leben...


Roger und Helga

Zu meinen "Großtaten" bei der ONS gehörte, dass ich dem AC Melle damals den angemeldeten ADAC-Slalom untersagte, weil die Versicherung der Veranstaltung nicht vorlag. Der gute Veranstalter musste am Samstag (!) die Papiere besorgen und nach Frankfurt donnern, um mich dort gnädig zu stimmen und die Veranstaltung dann doch noch zuzulassen.

Volles Haus - Kirk am DJ-Pult

Und der Veranstaltungskalender, der meine Aufgabe war. Weiß nicht mehr, ob es der 73er oder 74er war, aber ich habe alles damals im Büro bis unter die Decke gestapelt gehabt, weil ich nur vor mich hin schnarchte... Dann rückte der Abgabetermin des Kalenders näher. Ich habe fünf Tage und Nächte inkl. Wochenende durchgemacht, Aufputschmittel (Koffeinpillen, nicht das andere... habe ich zeitlebens nie angerührt!) geschluckt, abends Disco, mit dem Taxi ins Büro, zurück und nochmal und noch ein Tag und, und, und. Am Montag morgen war das Ding tatsächlich fertig. Ich verabschiedete mich am Nachmittag etwas früher, um mal auszuschlafen - und wachte tatsächlich rechtzeitig früh um 8 Uhr wieder auf. Aber nicht am Dienstag, sondern am Mittwoch... Glaube, das war mein letzter Arbeitstag dort.

Tja, 1974 kam das Ende der holländischen Ausgabe der "Beatflotte". Erinnere mich noch genau, wie ich nachts nach der Disco mit einem Kassettenrecorder ganz gezielt Radio Altlantis aufnahm und die trotz des schwachen Signals auf ihren ständig wechselnden Frequenzen wiederfand. Kurz vor Ende war Atlantis auf 1322 (vormals SRE), 1331 und 962 kHz (dem späteren "3-1-9" von Caroline in den 80er Jahren) sowie "off" auf 1317 kHz zu hören... In Nordeuropa unbemerkt - Atlantis wurde von der RAI auf 1322 "gejammt", weil durch die unsauber abgestimmte Frequenz deren Dienst gestört wurde, trotz maximal nur 5 Kilowatt Sendeleistung! Jamming war nur bei RNI 1970 vor der britischen Küste passiert. Und nur RNI (und Radio Antwerp 1962) waren mal auf Kurzwelle zu hören gewesen - jetzt auch Atlantis auf 6225 kHz. Vielleicht bin ich der einzige, der sich daran noch erinnert...
Leider, leider sind diese Mitschnitte auf Cassettenrecorder (damals gab's nichts anderes...) verschollen und verschwunden. An einige kann ich mich noch genau erinnern - beim späteren Abhören stellte ich fest, dass sie teilweise zu schnell oder zu langsam liefen, weil die Batterien während der Aufnahme "in die Knie" gingen.

Die Ankündigung von Atlantis, "legal" weiter zu machen, erfüllte sich nicht. Es gab einen geheimen Aufbau in einem der britischen Forts (die sowieso umstritten waren, wie weit stehen sie auf britischem Seegrund, wie weit reicht dort die 3-Meilenzone usw.) und es blieb bei einer oder zwei Testsendungen NACH dem 31. August 1974 (dem letzten Tag der "holländischen" Piratensender). Dann wurde das Fort von britischen Behörden in Abwesenheit der Atlantis-Crew ausgeräumt und das war's dann.

Ich stand vor einem Scheideweg. FRA nix mehr, Piratensender "off", Disco Schnauze voll. Fast hätte ich mit Helga in Bad Kreuznach ein "bürgerliches Leben" angefangen. Es kam alles anders - sie hatte plötzlich einen anderen Freund. Wie das Leben so spielt, ich passte da wohl nicht rein. Es hat mich tatsächlich einige graue Haare gekostet. Trotz meiner "Jugend".

Tja, so ab ca 1975 dann - notgedrungen - u.a. bei MGM-Fox (damals zusammen) tätig gewesen, direkt über dem damaligen Frankfurter MGM/Royal-Kino, was - damals - zur Creme de la Creme der Kinos zählte (Kinopolis, Cinemaxx usw. kamen erst Jahrzehnte später...). Und ab September 1974 dann nur noch Radio Mi Amigo tagsüber und Caroline abends auf - zunächst - "2-5-9" gehört. An zwei Songs erinnere ich mich noch genau : "Alle Porta De Sole" von Gigliola Cinquetti (Anfang 74) und "Yellow Sun Of Ecuador" von den holländischen Classics (1975), die damals bei Radio Mi Amigo und zwischen den "suzie-wafels"-Spots rauf und runter liefen.

In meinem Frust baute mir jemand einen ca. 5 Watt starken UKW-Sender, den ich aus dem Dachgeschoss meiner Kemenate in der Berger Strasse in Frankfurt in Betrieb nahm. Mit einer holländischen Adresse: Randenbroekerweg 137b, Amersfoort... die Privatadresse eines holländischen Gastes der Disco, wo ich damals auflegte. Nachts bin ich rumgefahren, um die Reichweite zu testen. Deckte gerade mal den Stadtteil ab... Beim dritten oder vierten Versuch und "mit mehr Power" verdampfte dann das Ding.
Also auch vorbei.

Alle Kontakte starben ab. Weder hörte ich Radio, Mi Amigo kotzte mich programmlich mehr und mehr an, auch wenn ich darüber froh war, dass es überhaupt noch einen Piratensender gab. Caroline - mal wieder wie Ende 67/Anfang 68 - allein auf hoher See und nur abends mit einem rocklastigen Programm. Nicht so ganz mein Geschmack, aber immerhin. Das "Flying To The Sun, Sweet Caroline" von den New Riders Of Purple Sage (das Indikativ von Caroline in den 70er Jahren - "On My Way Back Home") werde ich auch nicht vergessen und habe ich heute noch im Ohr. Auch das DXen stellte ich ein, das Radio war in der Ecke. Ich lebte in den Tag hinein... Ein letzter Besuch bei meinem Freund aus Amersfoort (Name leider vergessen) brachte auch nichts erhebendes: trotz des RNI-Emblems auf dem PKW kamen wir nicht dicht genug an die Mebo 2 und die Mebo 1 (Angela) heran, bzw. wurden nicht auf die Werft gelassen - das Sendeschiff von RNI und deren Tender lagen dort seit 1974 im Hafen von Slikkerveer und sollten angeblich als "Radio Nova" vor Italien - schon lange - senden. Aus dieser Perspektive (auf der Hafenmauer gelegen und gelauert und Fotos gemacht) sah man erst, welche "Nuss-Schalen" eigentlich beide Schiffe waren. Tristesse also angesagt und überall...

So 1978/1979 kam ich nach diversen Mini-Jobs (überall mal 3-9 Monate gearbeitet, dann wieder nix...) auf Telefonverkauf. Erst sollte ich "wir rufen an im Auftrag der Deutschen Bundespost" Leuten einen Telefonklotz mit Anrufbeantworter und allem drum und dran aufquatschen. Wobei man einen Text eingehämmert bekam, den ablas und den "Kunden" schon mit der Begrüssung anlog. Mit der Bundespost hatte es nichts zu tun.
Dann kam Telefonverkauf: Warentermingeschäfte. Waren damals ungeheuer "in". Und konnte man richtig Kohle machen. Kunden "kalt" anrufen, behaupten, man hätte eine Info-Broschüre irgendwohin geschickt (was nicht der Fall war) und dann Optionen auf Kartoffeln, Schweinebäuche, Gold, Kupfer, Zinn oder Zuckerrohr anbieten - fallende oder steigende Kurse, schnurz.
Ich kannte "Kollegen" von anderen Firmen, die richtig in Geld schwammen auf Grund derer Provisionen (20% von durchscnittlich 10.000 DM eine Option, und mehrere am Tag verkauft, gab ein heftiges Sümmchen am Monatsende) und dann am Ende des Booms aus dem Fenster sprangen oder finanziell so abgestürzt sind, dass sie nie mehr hochkamen.
Denn : Es wurden überteuerte Optionen verkauft; 500-1000% Aufschlag auf den Börsenpreis waren keine Seltenheit. Der "Kunde" hatte auf Grund des Kursverlaufs eigentlich nie eine reelle Chance, in die Gewinnzone zu kommen. Sondern blieb eigentlich immer in der Verlustzone hängen oder erlitt einen Totalverlust. So zynisch es klingt : Mehr als das eingezahlte Geld konnte er nicht verlieren, das war der "Schutz" dieser Optionen.
Aber dann wurde "nachgeladen". Immer. Wenn der Kunde mal gewann, sowieso. Wenn er mit zwei oder drei Optionen vom Kurs her in den Miesen steckte, auch. Nochmal 10 Mille schicken für irgendwas... Hauptsache Umsatz, Hauptsache Provision...

Ich war da - zum Glück - sehr zurückhaltend und verkaufte nur Optionen, von denen ich auch überzeugt war. Soviel Umsatz und Provision kam bei mir nicht zusammen. Und ich wies jeden Kunden auf das Risiko hin, während andere Kollegen am Telefon behaupteten "Sie können gar nicht verlieren, Gold, Mann, es ist Gold!".
Mancher Kunde, der nach einem 45-Minuten-Gespräch breitgeklopft wurde und dann seinen Scheck doch nicht schickte, wurde spätestens mit der Aussage "dann kippen wir Ihnen in drei/sechs Monaten (Laufzeit der Option) den Keller voll mit Kupfer, Kartoffeln (oder sonstwas)...." weich. Der schickte dann tatsächlich seinen Scheck...

Aber ich kann mit Stolz behaupten, dass meine wenigen Kunden mit Zuckerrohr, Gold (damals ein gesteuerter Boom) sowie Kupfer (ein Dipl.-Ingenieur aus Karlstein in Bayern) tatsächlich Gewinne machten, der Bayer etwas um die 570%!!

Dann kam die Krise. Denn mehr und mehr "gelinkte" Kunden verklagten die Warenterminfirmen. Denn so um die 80-90% von denen gingen mit den verkauften Optionen erst gar nicht an die Börse, sondern behielten das Geld und zahlten aus dem angeschwollenen Kapital aus ("Stillhalteroptionen"). Oder - was sehr häufig leider vorkam - sammelten viele Anleger, hoben alles ab, und verschwanden spurlos. Das Büro leergeräumt, nur die Telefonstränge ragten noch aus der Wand... Mehr als einmal mit eigenen Augen gesehen!

Logischerweise waren dann mehr und mehr (seitenlange) Artikel über die falschen Warenterminhändler zu finden, die ungefragt alles anriefen und Telefonbücher abtelefonierten - besonders gern Ärzte, Apotheker, Gewerbetreibende... Und besonders gern Geschäfte mit Leuten machten, die da etwas "Schwarzgeld" angesammelt hatten. Ich erinnere mich an einen Apotheker aus Bad Kissingen, der mir bar 20.000 DM auf den Tisch das Hauses legte. Gegen eine nichtssagende Quittung und dem Versprechen, sein Geld im Börsenhandel mit einem fetten Gewinn "reinzuwaschen". Diese Idioten gibt es heute noch - aber das ist jetzt (von 2008 gerechnet) dreissig Jahre her.

Und zum Glück kann ich sagen, dass "meine" Firma tatsächlich "seriös" arbeitete und auch tatsächlich Optionen an der Börse kaufte und auch korrekt abrechnete - auch wenn die Option eben naturgemäss teurer war als an der Börse direkt. Das half aber alles nichts: Bildzeitung, Fernsehen, der "Spiegel" - alles war voll mit warnenden Artikeln über die Warentermin-Abzocker.
So ging es auch mit "meiner" Firma bergab. So sehr, dass der eine Betreiber sich in die USA absetzte und ich von dem anderen Inhaber die Firma für "Appel & Ei" überschrieben bekam. Vielleicht hätte ich sogar durchgehalten und überlebt mit meinen wenigen (zufriedenen) Kunden. Aber eines Tages tauchte die Deutsche Bundespost bei mir auf und verlangte Geld. Neue Firma (auf mich registriert) hin oder her, aber die Anschlüsse waren gleich geblieben. Und da die Warenterminverkäufer tagtäglich wie die Wilden überall in Deutschland herumtelefonierten und teilweise 20-40 Minuten am Stück einen "Kunden" bearbeiteten, kamen da Unsummen zusammen. Ein einzelner Anschluss hatte da lockere 120.000 DM (!) in einem Monat auf der Rechnung.
Plötzlich sah ich mich einer Forderung von 1,2 Millionen (oder sowas...) gegenüber - und da habe ich hingeworfen, mich abgemeldet und bin "untergetaucht". Offiziell wohnte ich damals in Belgien. Mehrere Monate war ich nicht auffindbar, ich kann mich erinnern, dass ich mal drei Nächte nacheinander in meinem damaligen Ford Capri schlief, weil auch keine Wohnung mehr, Strom abgestellt usw. Es war alles ziemlich düster und ohne Perspektive. Lief tagelang in demselben stinkenden Cashmere-Pulli herum, abgewetzte Jeans, nur noch irgendwelche no-name-Turnschuhe an den Füssen. Auweia. Und die Versicherung für den Ford Capri auch nicht gezahlt. Bloss nicht auffalllen...
Ein Mini-Job als no-name-DJ in Kelsterbach ("Panoptikum") brachte mich einigermassen wieder auf die Füsse, auch wenn ich am Schluß von dem holländischen (!) Betreiber (Mister Vanderwolk) dann selbst gelinkt wurde - dem ging es auch nicht gut. Ich ließ meinen "Verdienst" auflaufen, damit etwas übrig blieb für den Getränkeeinkauf. In der Hoffnung, dass beim Verkauf der Mini-Disco, der anstand, ich einen Batzen auf die Hand bekäme. Ich war der einzige, der leer ausging... Wieder nix.

Irgendwie wurde ich als DJ wiederbelebt. "Coupe76" in Bad Soden/Ts., "Tiffany" in Sachsenhausen und das "Quo Vadis" in Mühlheim (am Main) wurden drei bekannte Stationen, wo ich auflegte. Und - siehe da - mein Name (wieder) recht bekannt wurde. Mein mir nachgesagtes Faible für gute Musik und gute Zusammenstellungen zeigte Erfolg. Vor dem Quo Vadis drängelten sich Autos mit Friedberger, Fuldaer, Büdinger und Frankfurter Kennzeichen - alles weiter weg... Auch Helga besuchte mich eines Tages und den einen Satz von ihr vergesse ich nie: "Du hast schon immer gute Musik gemacht". Es folgte ein Besuch bei ihr in München-Schwabing, wo sie damals wohnte,danach ein sehnsüchtiger Brief ohne Antwort, ...dann wieder aus den Augen verloren. Vergessen, vorbei. Scheisse, wie lange man einer tollen Frau nachhängen kann.

Ich wurde ein richtiges Arschloch... Habe damals gepoppt, was vor die Flinte kam (sorry). Und arrogant und überheblich. Mir kann keiner. Und so... alles wegen einem Mädchen. Aber, auf der anderen Seite, vielleicht wäre es mit "Victoria" dann nichts geworden - der Grund, weswegen wir überhaupt diese Internetseite haben und ich mich hier "ergiesse"...

So bekam ich dann irgendwie "Wind" davon, dass in Italien inzwischen eine recht lebhafte "private" Radioszene entstanden war, bzw. im Entstehen war. Und es gab erste Gerüchte, dass auch in Deutschland "bald" Privatradio zugelassen werde - nachdem es dies beispielsweise endlich in Großbritannien gab.

1979 belebte sich alles wieder... Radio Delmare von jenem Gerard van Dam mit den zwei bis drei Sendeperioden, gerade noch hörbar. Auch im September 1979, zusammen mit dem nach Unterbrechung zurückgekehrten Caroline: im April 79 war nach monatelangem Schweigen plötzlich Caroline wieder da ("fool if you think it's over" / Chris Rea - der Mann wurde durch Caroline dann zum Plattenstar!), tagsüber in holländisch, abends in englisch.

Das Schiff ein absolutes Wrack, aber per neuem Generator wiederbelebt. Sollte sich doch was tun? Mein Interesse an Radio wurde reaktiviert. Ich hörte in die Kurzwelle rein und "entdeckte" wochenends viele kleine Land-Piratensender, die dort ein, zwei oder drei Stunden dies, das und jenes ausstrahlten. Törnte mich alles nicht an, war aber interessant. Da gab es den (heute noch existierenden) "FRSH -Free Radio Service Holland" sowie auf 6910 kHz unterhalb des 40-mB-Amateurbandes aus Irland "Radio Dublin" und dort zeitweise (und auf anderen Frequenzen) auch mal ein "WMR - World Music Radio" zu hören. Klang alles hochinteressant.

Trotz "latenter Mittellosigkeit" hatte ich aber zum Glück, wie es meine Art eben war, neue Freunde gefunden. Und neue Einnahmequellen... Halb Frankfurt belieferte ich monatlich mit Musikkassetten, u.a. auch die Kette vom Friseursalon "Ochs". Und den grossen Meister lernte ich höchstpersönlich in seinem damaligen Salon im BfG-Hochhaus kennen. Und hielt Kontakt zu einem gewissen Peter "Caligula" Caligari, dem ich so circa 1977 das "Plattenauflegen" in einer Disco beigebracht hatte und der damals Friseurlehrling war. Von ihm werden wir bei Radio Victoria noch mehr hören.

Und ich bekam Kontakt zu einem der ersten führenden Videotheken und Videothekaren aus Frankfurt. Damals gab es fast keine Filme auf VHS, Beta oder Video 2000... irgendwelche japanischen Schundschinken waren schon eine echte Sensation. Welch' viel grössere Sensation, als ich plötzlich "unter der Hand" astreine (Erst-)Kopien von neuen Bondfilmen usw. bekam - geschah alles im Hinterzimmer dieser einen Videothek (deren Namen wir mal hier verschweigen...). Ich investierte in zwei Videorecorder (zum kopieren), kaufte dem Inhaber die Filme ab und rief frech Radiohändler und betuchte Privatleute an und belieferte 30 km rund um Frankfurt Woche für Woche jeden, der wollte, mit den Filmen. Tagelang war ich nur am kopieren und dann ging es auf die Piste.

80er-Outfit und Seiko am Handgelenk

Die Sache ist verjährt, deswegen kann man darüber schreiben... und viel blieb nun wirklich nicht hängen. Es reichte zum Leben. Und zu einer goldenen Seiko für'n knappen Tausender am Unterarm, die ich unbedingt haben wollte .Die "Ware" kam aus Berlin und aus dem Ruhrgebiet, von teilweise (echt kriminellen und im grossen Stil) operierenden Organisationen, die den Filmvorführern und den Kopierwerken die Filme für eine Nacht gegen Geld aus der Hand nahmen - und weitergaben. So stellte es sich heraus, als die Sache dann mehr oder mehr aufflog. Urheberrecht hin und her, Anfang der 80er Jahre war das offizielle Videoangebot in der Tat ein Witz und dürftig. Kein Wunder, dass man mit "Das Imperium schlägt zurück" - sechs Monate (!) vor Kinostart und deutsch synchronisiert, mächtig abräumte. Oder den drei Teilen von "Das Boot", die die Raubkopierer in der falschen Reihenfolge anlieferten.

Ich leistete mir Plattenspieler, Mischpult, ein kleines Cassettendeck, hörte wieder und vermehrt Radio. Es begann meine "schwarze Phase". Ich rannte als "Punker" durch die Gegend. Immer schwarze Jeans, immer schwarze T-Shirts oder Hemden, Nietengürtel.

Aber nur vom Outfit her, Punk mochte ich damals gar nicht. New Wave war aber gerade am Entstehen. Und das lief damals im Frankfurter "Cooky's", wo ich fast jede Nacht (!) als Stammgast zu finden war - zu einer Flasche Bacardi und einer Karaffe Cola langte es immer. Dann las ich eines Tages etwas von einem gewissen Dario Monferini aus Milano/Italien. Der habe eine Liste aller italienischer Privatsender. GEIL. Ich sah neue Chancen, hatte Radio plötzlich wieder im Hinterkopf. Aber wie?

Frech, selbstbewusst und entschlossen, wie ich war, wollte ich eben was versuchen - Deutschland sollte ja bald auch Privatradio bekommen, da konnte es nicht schaden, auch mal Präsenz zu zeigen. Oder?

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Circa Anfang 1982 begann das alles mit einer zarten Kontaktaufnahme mit Radio Time in Florenz - ob sie Interesse an guter Popmusik und einem "internationalen" Programm hätten - denn die funkten irgendwie irgendwo auf Kurzwelle herum. Hatten sie und so entstand der "International Service of Radio Time". Mit "Time Has Come Today" von den Chamber Brothers (aus 1968) als Indikativ.
Und frech, wie ich war, bot ich es auch Radio Milano International an - es entstand ein wöchentliches 2-Stunden-Programm unter dem Namen "WMRI - World Music Radio International"... Kann mich noch an DX-Meldungen aus der damaligen Zeit erinnern, die herumrätselten, wer denn hinter dieser Station stecken könne - Milano testete damit auf einer Frequenz unterhalb des 31-m-Bandes... Und diese Sendung ging noch weiter: eine sizilianische Privatstation auf Mittelwelle (glaube, es war Radio Neptun), ein griechischer Privatsender aus Ierapetra/Kreta und sogar - damals - Radio Minuto (!) in Barcelona bekam diese Kassetten. Alles aus meiner Tasche finanziert, einfach so. Der mir im Gedächtnis verbliebene bekannteste Titel aus der Victoria-Vorphase war "December" (Hitmix) von den Waterboys.

Und nebenbei war ich eben "Capri-Fan". Fuhr den 2,3 Liter in Rot mit 109 PS und dann auch mal den 2,6 GT mit 125 PS, rundrum weiss und verspoilert, war schon ein echter Hammer. Nur konnte man bei Ford damals nach dem Tacho gehen, wann die Wasserpumpe oder ein Zahnrad verreckte. Bin nachts nur so zum Spass durch die Gegend gefahren, auf Autobahnraststätten eingekehrt und dann Vollgas zurück. Hat nur Benzin gekostet.
Dann war noch ein quietschgelber BMW 3.0 Si dabei, in der stärksten Version mit 205 PS. Und das war ein echter Donnerkeil, da hat es mich selbst bei 190 km/h nochmal richtig in den Sitz gepresst, als ich Gas gab. Unglaublich.
Nicht ohne Grund hat BMW damals bei diesem Typ die PS-Zahl reduziert, erst auf 200 und dann auf 195 PS... Ich hatte mir den stärksten Bolzen zugelegt und der litt unter Temperaturproblemen. Was mich den letzten Pfennig und zwei Zylinderkopfdichtungen sowie mehrere Pleuelstangen kostete. Seitdem bin ich von BMW geheilt...

Die Nächte im Cooky's: damals war Ralf Rainer Rygulla dort DJ (heute Inhaber 60311 in Ffm...), den ich mal eine Nacht vertreten durfte - übrigens sehr erfolgreich und mit mächtig Applaus am Ende. War stolz auf mich. Das Cooky's spielte - genau wie ich - damals eine recht elitäre Musikauswahl. Talking Heads, Marley, die frühen Depeche Mode, Visage, Gary Numan, Icehouse (die Gruppe sah ich dort auf einem "Aufwärm-Gig" live und kostenlos), Ultravox, Simple Minds...... aaaahhhhh. Endlich Musik! Neue Musik!

Also zusammengerechnet... Ende 1982, Anfang 1983 war meine Lage die, dass ich eigentlich nur (noch) von meinen Musikkassetten und den Raubkopierfilmchen lebte. Das ganze Geld ging aber für ständige Reparaturen am jeweiligen Auto, das Benzin für die Nachttrips und meine Flasche Bacardi im Cooky's drauf. Da gab es den unvergessenen steilen Zahn Elke hinter dem Tresen, der selbst in einer Band sang ("Nag-Nag-Nag"). Und Hauenstein (alias Supermax), der ab und zu reinschaute. Oder der Drummer von Trio sass am Tresen oder Steve Forbert war plötzlich ein Gast von vielen (hatte damals mit "Romeo's Tune" einen Hit)... Alles traf sich im Cooky's, es wurde mächtig gesiebt an der Tür. Ich war (noch) als DJ bekannt und kam immer rein. Unvergessen die wilden Nächte - alles traf sich nach 4 Uhr "nebenan" im "Wiener Wald" und frass halbe Hähnchen...

Und das Geld ging für Platten drauf. Ich war immer gut sortiert. Und wurde auch von Plattenfirmen bemustert, allen voran die (damalige) CBS sowie Ariola und Teldec. So war ein Grundstock gelegt.
Und unten in der Bahnhofsebene (Ffm Hauptbahnhof) gab es mit "City Music" ein Plattengeschäft von einem früheren Freund von mir, dem ich einst so ca. 73/74 als DJ in der Sachsenhäuser "Tenne" angelernt hatte (die Welt ist eben klein) Bei City Music trieb ich mich öfters zwecks Einkauf herum. Ein gewisser Andreas Tomalla dort hinter dem Tresen, elektronikbesessen - und er wusste von meiner Radioleidenschaft.
Kann mich erinnern, dass ich ihm eine Kassette mit Kurzwellengeräuschen und dem Homeservice von Radio Moskau brachte.
Fand sich alles wieder: auf seiner ersten eigenproduzierten (!) Platte unter dem Namen "Moskwa TV". Der Herr Tomalla ist heute vielen Leuten besser bekannt als Talla 2XLC...

Nur im Radio tat sich nichts - deutsches Privatradio nach wie vor nur eine Ankündigung. Nur SWF3 kam so einigermassen gut rüber... Ganz im Gegensatz zu den "Kollegen" von HR3... Ich war so richtig, richtig, richtig WÜTEND! Denn New Wave, Duran Duran oder mal Depeche Mode fand damals auf deren Wellen einfach nicht statt. HR3 hat und hatte - bis in die heutige Zeit - rocklastige und elitär denkende Musikredakteure. Man konnte damals (teilweise bis heute noch...) deutlich die Handschrift und Vorlieben gewisser Herren dort hören. 1980-1983 liefen eben dort die abgetakelten (sorry... haben gute Musik gemacht) Eagles und Steve Miller und ähnlicher rocklastiger Dauermüll. Gar nicht oder ganz, ganz selten und sehr verhalten mal New Wave. Einen Trend total verpennt...
Dafür aber wieder und immer wieder und wieder und nochmal "Crocodile Rock" von Elton John. Jahrelang. Zum Kotzen! Und nochmal... Und Selbstfahrerbetrieb: Fremdwort. Musikuhr, Einteilung nach current-recurrent-Deutschanteil, Musikformat : Fremdwort. Hatte ich alles bereits 1971 bei RNI gelernt und mitbekommen. Oder gar Radio London Big L, dem ersten europäischen Sender, der damals konsequent das "Top 40"-Format fuhr. Oder das easy listening-Format von Swinging Radio England 1966. HR3 lebte 1983 noch in der Zeit von vor 1966, was Formate, Musiksteuerung und Präsentation betraf. Unglaublich. Es war - damals meine Überzeugung - Zeit für Privatradio. Überreif! Hatte da was im Ohr...

(Allerdings - wie das ausging, dazu in einem späteren Kapitel mehr...)

Und Musikredakteure von HR3 machten bis vor kurzem auch bei HR1 das Programm - und da lief dann "How Long" (Original: ACE 1978, Sänger Paul Carrack) bis zum Erbrechen rauf und runter... HR1 ist derzeit (April 2008) hervorragend abgestimmt worden, bei HR3 unterliegt die "Stimmigkeit" dagegen starken Schwankungen. Da wird ohne Rücksicht auf Musikgenre und "passt aufeinander/nacheinander" einfach mit blinden Augen in irgendeinen Plattentopf gegriffen, geht es nahtlos von 1971 mit der nächsten Scheibe nach 2007 (das passt!) und, und, und. Und wer heute noch (selbst gehört!) um 5:30 Uhr im Morgenprogramm von "Pop und Weck" allen Ernstes mit "All Around My Hat" von Steeleye Span (1975) eröffnet, gehört eigentlich wortlos an die Wand gestellt... Oder Papiere und tschüss. *

Ganz nebenbei: Mit einem Programmleiter von HR3 führte ich zu Victoria-Zeiten direkt in der Bertramstrasse dreimal Geheimgespräche über Musikformate und wie man eine Zielgruppe erreicht - aber uns beiden war nach einigen Diskussionen sehr bald klar, dass das nicht mit der vorhandenen Mannschaft zu machen war. Man hätte, um meine Empfehlungen umzusetzen, die komplette Musikredaktion "entfernen" müssen. Hmmpppfff. Also kam es zu nix...

Tja, und dann kam jener denkwürdige Samstag, 17. September 1983, 9 Uhr morgens... eine "unabhängige deutschsprachige Kurzwellenmusikstation" namens "Radio Victoria" meldete sich zu Überraschung vieler KW-Hörer, aber auch zur Überraschung vieler kleiner Landpiraten-Schwarzfunker, die sich auch ab und an oberhalb des 49-mB-Bandes mit kleinem Signal tummelten...!

Und dieser Wahnsinnige dort, der in den ersten Stunden fast allein am Mikrofon sass, kündigte auch noch an, jeden Samstag und jeden Sonntag VIER (!) Stunden senden zu wollen. Um die Radiowelt mit seinem plötzlichen Projekt zu beglücken. Unfassbar. Und was hatte der WWDXC damit zu tun, dessen Adresse (Postfach) genannt wurde?
Fragen über Fragen...

Antworten in Kapitel 3. Freut Euch!

Euer Roger Kirk

* Beurteilung der hr-Wellen ist nicht mehr aktuell und entspricht dem Stand von April 2008. Hat sich einiges geändert seitdem.



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